Thema 1/2012: Risikogesellschaft

Thema 1/2012: Risikogesellschaft

Die „Risikogesellschaft“, mit Ulrich Becks Veröffentlichung von 1986 bekannt geworden, stellt seit dem Ende des 20. Jahrhunderts eine alarmierende Zeit- und Gesellschaftsdiagnose dar, die gerade auch die politische Bildung in vielfältiger Wiese beschäftigte und noch beschäftigt. Heute, 25 Jahre später, hat sich das Bewusstsein gesellschaftlicher Risiken verbreitet, stellt gewissermaßen einen Gemeinplatz des politischen Lebens dar. Die Krisenbewältigung, die Eindämmung ökonomischer, ökologischer oder sozialer Risiken, rangiert auf der politischen Agenda ganz oben. Gefährdungen und Unsicherheiten fordern die Politik heraus, und die Sicherheitspolitik geht, spätestens seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts und der allseitigen Konstatierung asymmetrischer Konfliktlagen, von einem erweiterten Verständnis aus, das Risiken nicht mehr nur in einem engen nationalstaatlichen Rahmen der Landesverteidigung identifiziert.

Der Schwerpunkt des vorliegenden Heftes heißt „Risiken leben“  und will der politischen Entwicklung und der fachlichen Debatte in Sachen Risikogesellschaft Rechnung tragen. Er greift dazu verschiedene Politikfelder auf und diskutiert die aktuellen Konfliktpotenziale: Umwelt und Technologie, Wirtschaft und Soziales, Krieg und Frieden. Zugleich widmet er sich den Chancen und Schwierigkeiten der außerschulischen, „non-formalen“ politischen Bildung, die seit ihrer Institutionalisierung in der Bundesrepublik in besonderer Weise als Seismograph für gesellschaftliche Entwicklungen und als Experimentierort für politische Zukunftsentwürfe fungiert. „Risiken leben“ heißt für sie nicht das Hinnehmen globaler Trends im Sinne einer Zuschauerdemokratie, sondern die Aufforderung, sich aktiv in die Prozesse einzumischen, die das eigene Leben bestimmen.

Eröffnet wird der Schwerpunkt mit einem Beitrag des Pädagogik-Professors Benno Hafeneger (Universität Marburg), der den erziehungswissenschaftlichen Kontext umreißt. Das Stichwort „Risiko“ führt nämlich nicht nur aufs politische Feld, sondern zu zentralen Kategorien der pädagogischen Tradition. Dr. Wolfgang Beer (Evangelische Akademien Deutschland) bilanziert den wissenschaftlich-technischen Fortschritt der letzten 25 Jahre samt den einschlägigen Risikopotenzialen. Politik-Professor Christoph Butterwegge (Universität Köln) thematisiert den gegenwärtigen „Risikokapitalismus“ und seine sozialen Folgen. Er zieht dazu eine sozialpolitische Halbzeitbilanz der schwarzgelben Koalition und diskutiert Konsequenzen für die Bildungsarbeit. Dr. Hans-Joachim Reeb (Helmut-Schmidt-Universität Hamburg) befasst sich mit Sicherheitspolitik als zentralem Gegenstand der politischen Bildung. Er begründet den Paradigmenwechsel, der von der Friedenspädagogik des 20. Jahrhunderts zu einem erweiterten Sicherheitsverständnis führt. Abschließend resümiert Johannes Schillo (Redaktion Journal) die politische und politikwissenschaftliche Debatte über „Demokratie-Risiken“.

Die bildungsgeschichtliche Reflexion spielt im non-formalen Bereich zunehmend eine Rolle. Sie dient der Vergewisserung des heutigen Standorts und zugleich der Klärung der eigenen Leistungsfähigkeit. Die Deutschlandpolitik aus der Zeit des Ost-West-Gegensatzes und die dazu gehörige Bildungsarbeit haben in diesem Sinne Ende 2011 Fachtagungen beschäftigt. Vinzenz Bosse bilanziert unter der Rubrik QuerDenken Konsequenzen solcher Reflexionen. Martin Kaiser berichtet unter ÜberGrenzen von einer aufwändigen internationalen Begegnung, die sich mit dem „arabischen Frühling“ befasste und die die Risiken von Demokratisierungsprozessen deutlich werden ließ.

Die weiteren Rubriken enthalten Nachrichten, Kommentare und Materialien zur Bildungsszene. Unter AugenMerk findet man auch die Kontaktadressen von bap und bpb. Alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der politischen Bildung sind aufgefordert, vom Journal als Forum für den fachlichen Diskurs Gebrauch zu machen. Zu den Themenschwerpunkten sollten möglichst frühzeitig Anregungen und Vorschläge an die Redaktion gerichtet werden. Das Gleiche gilt für Hinweise auf Projekte, Veranstaltungen u.a. Dabei sind die Redaktionstermine der Zeitschrift (siehe Heftplanung) zu berücksichtigen.