Landeszentrale für politische Bildung in NRW erleidet Kahlschlag – Verbände befürchten Verlust der Glaubwürdigkeit der politischen Bildung

Landeszentrale für politische Bildung in NRW erleidet Kahlschlag – Verbände befürchten Verlust der Glaubwürdigkeit der politischen Bildung

Landeszentrale für politische Bildung in NRW erleidet Kahlschlag – Verbände befürchten Verlust der Glaubwürdigkeit der politischen Bildung

Für große Aufregung und Sorge hat im November 2023 das Vorhaben der Landesregierung NRW gesorgt, die Landeszentrale für politische Bildung massiv zu beschneiden und gleichzeitig eine Doppelstruktur von politischer Bildung und Extremismusprävention zu etablieren. Diese geht einher mit einer noch engeren Anbindung der Präventionsprojekte an die Exekutive, sodass Träger der politischen Bildung bereits von einer gefährlichen „Verstaatlichung der politischen Bildung“ sprechen. Obwohl die die Landesregierung tragenden Parteien in ihrem Koalitionsvertrag 2022 apodiktisch deklamiert haben: „Die Landeszentrale für politische Bildung werden wir strukturell und inhaltlich stärken und unabhängiger machen.“ (Koalitionsvertrag von CDU und Bündnis 90/Die Grünen in NRW 2022) beschreiten sie mit diesen Maßnahmen genau den gegenteiligen Weg.

Die Landeszentrale für politische Bildung in NRW gilt im bundesweiten Vergleich bereits vor diesem Einschnitt als diejenige mit der „von der Rechtsgrundlage her – schwächste(n) Stellung einer Landeszentrale gegenüber der Exekutive“ (Gundling, Lukas C., Rechtliche Ausgestaltung der Landeszentralen für politische Bildung im Vergleich: Eine synoptische Übersicht, in ZLVR 4/2020, Seite 120 ff.). Dieser wissenschaftliche Befund wird sich durch den „Kahlschlag“ bestätigen und verstärken. Viele Verbände der politischen Bildung in NRW und darüber hinaus fordern daher die vollständige Rücknahme der Entscheidung und die Umsetzung des selbst gesteckten Zieles der NRW-Landesregierung, die Landeszentrale „stärker und unabhängiger“ zu machen.

Die ersten Proteste haben bereits Erfolg. Die im Rahmen der Beschneidung der Landeszentrale ebenfalls vorgenommene Herausnahme der Gedenkstättenförderung und Erinnerungskultur wurde von der Ministerin noch in der Landtagsdebatte, die von SPD und FDP angestoßen war, zurückgenommen. Es erschien wohl doch auch den Befürwortern der Beschneidung als einen Schritt zu viel, dieses für die historische-politische Bildung so wichtige Aufgabenfeld auszulagern.

Aber alle anderen Vorhaben wurden umgesetzt. Unmittelbar bei der Staatssekretärin angesiedelt wird sich jetzt eine Stabsstelle vornehmlich mit der Extremismusprävention beschäftigen, die vorher Teil der Landeszentrale war, während die politische Bildung zu einem Schattendasein verdammt wird. Damit setzt sich ein Kurs fort, der bereits seit Jahren zu beobachten ist, nämlich dass es eine schleichende, aber massiv erkennbare Verschiebung der Ressourcen und der Bedeutung von der politischen Bildung zur Extremismusprävention gibt. Setzt sich dieser Kurs fort, bedarf es gar keiner Abschaffungen der Landezentrale wie ehedem in Niedersachsen mehr, um die Rolle der Landeszentralen und der politischen Bildung insgesamt zu schmälern. Dahinter steht ein Bild, das Lernende als potenzielle Gefährder sieht (Extremismusprävention) und nicht ressourcenorientiert den Lernenden zum politischen Handeln befähigen will (politische Bildung).

Die engere Anbindung der politischen Bildung und Extremismusprävention an die Exekutive macht jene auch empfänglicher für unmittelbare politische Einflussnahmen. Angesichts der Gefahren, die in mehreren Bundesländern durch die Übernahme von Einflusspositionen durch Rechtsextremisten drohen, dürfen, so die Kritiker der NRW-Politik, keine Präjudizien geschaffen werden, auf die sich Landeregierungen mit AfD-Einfluss später berufen können.

Landeszentralen spielen an der Schnittstelle zwischen staatlichem Handeln, staatlicher Förderung und Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle. Ihre Glaubwürdigkeit leidet aber, wenn sie zu eng an die Exekutive gebunden wird. Diejenigen, die sich durch die Demokratie in ihrer jetzigen Verfassung nicht mehr repräsentiert fühlen, werden einer Landeszentrale mit enger Anbindung an den Staat weniger Vertrauen entgegenbringen als einer unabhängigen Institution. Sollen also die Landeszentralen einen Beitrag zur Überwindung der aktuellen Demokratiekrise leisten, sind Stärkung und Unabhängigkeit daher das Gebot der Stunde – so wie in der Koalitionsvereinbarung formuliert.

Die Diskussion geht weiter. Der Landtag NRW wird im Frühjahr 2024 eine Anhörung zur Zukunft der Landeszentrale durchführen. Gut möglich, dass die Debatte um die Stärkung und Unabhängigkeit der Zentralen der politischen Bildung dann auch bundesweit noch einmal Fahrt aufnimmt.

 

Wilfried Klein, Vorsitzender des bap e.V.

Bonn, 05.02.2024

Für Nachfragen wenden Sie sich bitte an Wilfried Klein, Vorsitzender des bap: info-at-bap-politischebildung.de